Mitten in der Corona-Krise geht ein anderes akutes Problem beinahe unter: An der türkisch-griechischen Grenze verharren immer noch Tausende Menschen in prekären Zuständen. Zudem droht auch den überfüllten Flüchtlingslagern in Griechenland ein Corona-Ausbruch mit verheerenden Folgen. Wir dürfen diese Menschen nicht allein lassen und müssen ihnen trotz – oder gerade wegen – den geschlossenen EU-Aussengrenzen helfen.
Die Berichte aus den EU-Flüchtlingslagern auf Lesbos machen deutlich, wie schnell die Menschen dort Hilfe brauchen. Selbst ohne Corona-Krise müsste dringend Abhilfe geleistet werden. Nun ist das Virus auf Lesbos angekommen. Hygieneempfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu folgen ist den Menschen dort unmöglich.
„In einigen Bereichen des Lagers Moria auf Lesbos gibt es nur eine Wasserzapfstelle für 1.300 Bewohner, und Seife ist nicht erhältlich. (…) Fünf- oder sechsköpfige Familien müssen auf lediglich drei Quadratmetern Fläche schlafen. Für sie ist es schlicht unmöglich, die empfohlenen Maßnahmen zu befolgen und sich regelmäßig die Hände zu waschen und Distanz zu anderen zu halten.“
Hilde Vochten, Ärzte ohne Grenzen
Der griechische Staat spricht von 42 500 Menschen, die auf den griechischen Inseln festsitzen. Es könnten noch weitere dazukommen, denn an der EU-Aussengrenze werden Asylgesuche weiterhin angenommen, schreibt die ARD-Tagesschau. Wie es von dort aus weitergeht, ist im Moment unklar, denn zumindest Deutschland nimmt aktuell keine Asylsuchende mehr auf.
Randstaaten auf sich gestellt
Erst letzte Woche hatte sich Deutschland zusammen mit sechs weiteren Ländern noch bereit erklärt, insgesamt 1600 Kinder und andere schutzbedürftige Flüchtlinge aufzunehmen. Die Schweiz lässt Flüchtlinge ihre Grenzen nicht mehr passieren, denn «Asylsuchende können ihr Gesuch problemlos in Italien stellen und müssen dazu nicht die Grenze überschreiten», so Justizministerin Karin Keller-Sutter. Die Asylsuchenden bleiben also vorerst in den Randstaaten hängen.
Dabei müssten gerade Kinder und Schwangere schnell und gut versorgt werden. Sie machen einen grossen Teil jener aus, die bei Minusgraden an der griechischen Grenze gestrandet sind. Sie brauchen dringend medizinische Versorgung. Kinder leben in notdürftigen Barracken und Zelten, statt in der Schule und einem sicheren Zuhause zu sein.
Flüchtlinge als Spielball
Die vor allem syrischen Flüchtlinge an der türkisch-griechischen Grenze waren von Beginn weg Spielball der Politik. Je nach Verhandlungslage lässt der türkische Präsident Erdogan mehr oder weniger verzweifelten Menschen weitermarschieren und die EU scheint sich dem Druck zu beugen. Immerhin, der Flüchtlingsstrom reisst aktuell wieder ab.
Es fragt sich wie lange, denn scheinbar entscheiden die politischen Beziehungen, ob das so bleibt. Ohne Weiteres könnten sich die EU-Flüchtlingslager bald erneut füllen. Auch deswegen muss die Lage dringend verbessert werden!
Höchste Zeit für würdige Lösungen
Die Solidarität unter der Schweizer Bevölkerung und in Europa ist gross. Sie darf aber bei der EU-Aussengrenze nicht Halt machen. Die Menschen in den Flüchtlingslagern brauchen dringend Hilfe und dürfen inmitten der eigenen Einschränkungen nicht in Vergessenheit geraten.
Darüber hinaus ist es höchste Zeit für eine humanitäre und würdigen europäische Flüchtlingspolitik. Menschen, die vor Gewalt und Krieg fliehen, dürfen nicht zum Spielball der Politik werden und bedürfen besonderen Schutz.