«Entwicklungsarbeit ‒ Quo vadis?»: Darum geht es an einer Podiumsdiskussion zur Agenda 2030 am 28. September in Bern. Mit von der Partie ist Kristina Lanz von Alliance Sud. Die Arbeitsgemeinschaft der Schweizer Entwicklungsorganisationen setzt sich seit 50 Jahren für eine nachhaltige Entwicklung der Schweiz ein. terre des hommes schweiz ist Partnerorganisation von Alliance Sud. Der Standpunkt von Kristina Lanz.
Vor einem Jahr hat die Konzernverantwortungsinitiative (KVI) die Schweiz aufgewühlt. Kaum ein politisches Anliegen, bei dem es um Solidarität über Landesgrenzen hinweg geht, hat jemals so eine breite Unterstützung in der Öffentlichkeit erzeugt wie die KVI. Was die Initiative so erfolgreich machte, war vor allem die breite Mobilisierung: Gegen 130 NGOs, Kirchen und Firmen zogen an einem Strang mit ihrer Forderung nach globaler Solidarität und Verantwortung.
Die KVI setzte allerdings auch eine Debatte in Gang zum politischen Engagement der NGOs. Ruedi Noser, FDP-Ständerat und KVI-Gegner der ersten Stunde, reichte als Erster im Parlament eine Motion ein. Sie verlangt zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung bei gemeinnützigen Organisationen, die sich politisch engagieren, noch gegeben seien. Mit einem späteren Vorstoss verlangte Hanspeter Portmann, ebenfalls FDP, vom Bundesrat die Überprüfung der staatlichen Unterstützungen an Projekte der internationalen Zusammenarbeit von NGOs, die sich an politischen Kampagnen beteiligt haben.
Das Verständnis von Entwicklungszusammenarbeit, welches diesen und anderen eingereichten Vorstössen zu Grunde liegt, ist klar: NGOs sollen in erster Linie den armen Menschen im Ausland helfen. Dass Armut aber oft etwas mit uns und unserem Lebensstil zu tun hat, wird dabei geflissentlich ignoriert.
Die KVI hat diesen Zusammenhang offensichtlich gemacht und ein neues politisches Verständnis von Entwicklungszusammenarbeit in den Vordergrund gerückt. Sie zeigte auf, dass Armut und Umweltzerstörung im Ausland uns als Schweizer Stimmbürger*innen etwas angehen – denn immer wieder kommt es vor, dass Schweizer Firmen sich auf Kosten der Ärmsten der Welt bereichern, Umwelt und Lebensgrundlagen zerstören und Kinder- und Zwangsarbeit in Kauf nehmen.
Die Entwicklungszusammenarbeit ist zentral, um die schlimmsten Auswüchse der Armut zu lindern und gemeinsame Lösungen zu finden. Aber ohne einen grundlegenden Wandel in der Schweizer Politik, bleibt sie nicht mehr als ein Tropfen auf dem heissen Stein.
Aus diesem systemischen Verständnis von Armut und Ungleichheit wurde Alliance Sud vor 50 Jahren von einigen vorausdenkenden Schweizer NGOs gegründet: Wir kämpfen im Namen unserer Trägerinnen und Partner, zu denen auch terre des hommes schweiz gehört, für gerechte Nord-Süd Beziehungen und die Umsetzung der Agenda 2030 – für eine nachhaltige, partizipative Entwicklungszusammenarbeit, für fairen Handel, für ein gerechtes Steuersystem, für eine wirkungsvolle Klimapolitik und auch dafür, dass Konzerne ihre globale Verantwortung für Mensch und Umwelt wahrnehmen.
Auch die aktuellen Einschüchterungsversuche werden uns nicht davon abbringen, uns weiterhin politisch für eine bessere, gerechtere und lebenswerte Zukunft für alle Menschen einzusetzen.
Kristina Lanz ist bei Alliance Sud zuständig für das Dossier «Politik der Entwicklungszusammenarbeit». Sie ist Mitglied der Beratenden Kommission für internationale Zusammenarbeit DEZA.
Kristina Lanz an der Podiumsdiskussion «Entwicklungsarbeit ‒ Quo vadis?»: Dienstag, 28. September 2021, Bern. Details zur Veranstaltung hier
Alliance Sud
Alliance Sud ist die Arbeitsgemeinschaft der sechs Schweizer Entwicklungsorganisationen Swissaid, Fastenopfer, Brot für alle, Helvetas, Caritas und Heks. Alliance Sud wird mitunterstützt durch die Partnerorganisationen Solidar Suisse, terre des hommes schweiz, Terre des hommes Suisse und das Schweizerische Rote Kreuz. Alliance Sud setzt sich seit 1971 in der Politik, der Öffentlichkeit und gegenüber Wirtschaftsakteur*innen für gerechte Nord-Süd-Beziehungen und eine nachhaltige Entwicklung ein.
Copyright Fotos: Alliance Sud. – Hauptbild: Am 26. Mai 2008 übergeben gemeinnützige Organisationen in Bern die Petition «0,7% – Gemeinsam gegen Armut» mit 201 679 Unterschriften den Bundesbehörden. Die Petition verlangt ein stärkeres Engagement der Schweiz für die damaligen UNO-Millenniumsziele und die Erhöhung der Entwicklungshilfe auf 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens.