Immer mehr junge Menschen in El Salvador kehren ihrem Land den Rücken zu. Die gefährliche Flucht in die USA aber gelingt oft nicht und die Jugendlichen werden abgewiesen und zurückgeschickt. Unsere Partnerorganisation Acisam bietet diesen jungen Menschen psychosoziale Unterstützung.
Gewalt, Armut, Diskriminierung und fehlende Lebensperspektiven machen den Jugendlichen in El Salvador das Leben schwer. Jährlich verlassen Tausende junge Männer und Frauen ihr Land – oft unter lebensgefährlichen Umständen und mithilfe von Schlepper*innen. Der Weg in eine vermeintlich bessere Zukunft ist, besonders für junge Frauen, sehr gefährlich. Trotz grosser Risiken nimmt die Auswanderung weiter zu. Nach Angaben der UNHCR sind im Jahr 2021 insgesamt 15 898 Menschen aus El Salvador geflohen und haben einen Asylantrag in anderen Ländern gestellt. Viele von ihnen kommen aber gar nicht so weit: Sie werden an der Grenze abgefangen und zurück in die Heimat geschickt.
«Wir sind nicht alleine»
Bei den jungen Männern und Frauen, deren Traum vom neuen Leben geplatzt ist, macht sich oft Resignation und Frustration breit. Sie stehen nach dem erfolglosen Versuch noch hoffnungsloser da als vor der Flucht. Viele haben sich für die Bezahlung von Schlepper*innen verschuldet. Ausserdem werden Rückkehrer*innen zurück in El Salvador als Versager*innen stigmatisiert. Viele von ihnen machen sich ein zweites und drittes Mal auf den gefährlichen Weg in den Norden und nehmen dabei die Gewalt, Strapazen und Lebensgefahr erneut in Kauf. Acisam begleitet junge Rückkehr*innen dabei, aus der sozialen Isolation auszubrechen und neue Hoffnung in ihrer alten Heimat zu schöpfen. Marta Garcia* ist 19 Jahre alt, sie versuchte ohne Erfolg in die USA auszuwandern, da ihr Vater dort bereits lebt. Im Rahmen von Acisam nimmt sie nun an einer psychosozialen Gruppenbetreuung teil und sagt: «Durch diese Unterstützung habe ich entdeckt, dass ich viel mehr Ressourcen habe, als ich dachte. Auch meine Umgebung bietet mir ungeahnte Möglichkeiten.»
Soziale und psychische Unterstützung
Beispiele wie diese zeigen, wie dringend die psychosoziale Unterstützung junger Rückkehrer*innen in El Salvador ist. Die jungen Menschen sind oft stark traumatisiert, da sie grosse Gefahren durchlebt haben und bei der Abschiebung wie Kriminelle behandelt wurden. Sandra Ramirez, Nationale Koordinatorin von terre des hommes schweiz in El Salvador, betont: «Diese jungen Menschen kehren gebrochen, frustriert und hoffnungslos zurück. Erschwerend kommt noch hinzu, dass die jungen Rückkehrer*innen in ihren Heimatgemeinden oft als Verbrecher*innen und Verlierer*innen abgestempelt werden. Sie fühlen sich als Fremde in ihrer alten Heimat. An diesem Punkt setzt Acisam an, geht auf die jungen Menschen zu und gibt ihnen Vertrauen zurück.» Das Projekt unterstützt junge Migrant*innen psychisch und sozial. In partizipativen Umfragen werden junge Rückkehrer*innen befragt. Acisam steht im Austausch mit zuständigen Behörden darüber, wie das Betreuungsangebot für die betroffenen Jugendlichen verbessert werden kann. Im Jahr 2022 haben die Jugendlichen im Rahmen von Acisam eine Kampagne organisiert, mit der sie auf ihre Situation und ihre Bedürfnisse aufmerksam gemacht haben. Sie haben selbst Filme gedreht und diese via Social Media verbreitet. In Projekten wie diesen werden Jugendliche zu Expert*innen ihrer eigenen Situation gemacht, sie mobilisieren sich und gründen gemeinsame Initiativen, um sich für ihre eigenen Rechte und ihre Bedürfnisse einzusetzen. Acisam gab auch der 22- jährigen Luisa Gonzales* neue Hoffnung nach ihrer gescheiterten Migration: Sie lebte zusammen mit acht jüngeren Geschwistern bei ihrer Mutter. Als ältestes Kind verspürte sie einen grossen finanziellen und emotionalen Druck, da sie die Hauptversorgerin der Familie war. Sie versuchte, in die USA auszuwandern, um die wirtschaftlichen Bedingungen ihrer Familie zu verbessern. Heute nimmt sie am Programm von ACISAM teil und schaut mehr auf sich selbst: Sie absolviert einen Englischkurs und erhält eine Ausbildung als KfZ-Mechanikerin. Luisa sagt: «Ich spüre, dass mir ein grosses Gewicht von den Schultern genommen wurde. Endlich habe ich gelernt, mein eigenes Leben in die Hand zu nehmen». Aufgrund der aktuell sehr herausfordernden Situation für Jugendliche in El Salvador können nicht alle jungen Menschen davon überzeugt werden, an eine Zukunft im Land zu glauben. terre des hommes schweiz lebt daher auch stets mit dem Risiko, junge Mitarbeiter*- innen aus Projekten zu verlieren, da diese trotz aller Unterstützung das Land verlassen. Dies zeigt, dass der Einsatz für Jugendliche nach wie vor wichtig ist – auch dank Ihrer wertvollen Unterstützung.
Weitere Informationen unter: www.tdhs.ch/elsalvador
Unbegleitete jugendliche Migrant*innen
Die Umfragen, die Acisam bisher unter den jungen Rückkehrer*innen gemacht hat, zeigen folgende Resultate:
– Die Mehrheit der aus El Salvador zurückgekehrten unbegleiteten Migrantenkinder und -jugendlichen sind männliche Jugendliche im Alter von 15 bis 18 Jahren.
– Der Anteil der unbegleiteten Migrant*innen unter 14 Jahren ist bei Mädchen höher als bei Jungen.
– In El Salvador reisten mindestens 62 Prozent aller Migrantenkinder und -jugendlichen mit Schlepper*innen. Hier ist der Anteil bei Mädchen und Jungen gleich hoch.
– Die Familien von jungen, zurückgekehrten unbegleiteten Migrant*innen gaben an, dass 35 Prozent der Haushalte Ein-Eltern-Haushalte sind. In den meisten Haushalten der aus El Salvador zurückgekehrten unbegleiteten minderjährigen Migrant*innen leben derzeit durchschnittlich fünf Personen.