Auch in der Schweiz kommt es vermehrt zu Einschüchterungsklagen und Klagedrohungen gegen Nichtregierungsorganisationen. Mit solchen sogenannten SLAPPs sollen unliebsame Berichte verhindert und die Zivilgesellschaft eingeschüchtert werden. Eine Allianz möchte die Schweizer Öffentlichkeit über die SLAPP-Praxis informieren, und sich für eine bessere Gesetzgebung einsetzen, um solche frühzeitig zu stoppen.
Demokratien sind weltweit unter Druck. Autokratische Staatsoberhäupter erlassen restriktive Gesetze, die lediglich der eigenen Machterhaltung dienen und gehen rigoros gegen Kritiker*innen vor. Gemeinschaften, die sich gegen gesundheitsgefährdende Umweltverschmutzung wehren, sich für faire Arbeitsbedingungen einsetzen oder Missstände publik machen, werden bedroht und erfahren Gewalt. Menschen, die friedlich mehr Freiheit und gesellschaftlichen Wandel fordern, werden eingesperrt. Die Liste von Repressionen, unter denen auch Jugendliche in unseren Projektländern leiden, ist lang, die Mittel vielfältig.
Klagen als Druckmittel gegen NGOs
Ein zunehmend beliebtes Mittel, um die Zivilgesellschaft zum Schweigen zu bringen, sind Einschüchterungsklagen, SLAPPs (Strategic lawsuits against public participation). Medienschaffende kennen sie schon lange, nun werden diese strategischen Klagen gegen zivilgesellschaftliche Beteiligung auch immer mehr gegen Nichtregierungsorganisationen (NGOs) eingesetzt. Auch in der Schweiz, wo sie von Konzernen oder sehr vermögenden Einzelpersonen wie Oligarchen praktiziert werden. Mit Klagen oder Klagedrohungen sollten NGOs daran gehindert werden, Missstände aufzudecken und kritische Berichte zu veröffentlichen. Auch terre des hommes schweiz erhielt schon beunruhigende Post. Als wir publik machten, dass die Zuger Firma EuroChem 2021 Phosphat aus der besetzten Westsahara nach Estland in ein firmeneigenes Werk exportierte, wurden wir aufgefordert, den Artikel zurückzuziehen. Die Firma hat inzwischen Bekanntheit erlangt, da ihr damaliger Besitzer, Andrey Melnitschenko, zu den in der EU und der Schweiz im Zuge des Ukraine-Kriegs sanktionierten russischen Staatsbürgern gehört.
Auch immer häufiger in der Schweiz
Eine Umfrage des HEKS im Jahr 2022 bei verschiedenen NGOs zeigte, dass Klagen und Klagedrohungen in den letzten Jahren auch in der Schweiz massiv zugenommen haben. Während zwischen 2000 und 2010 nur zwei Klagedrohungen registriert wurden, sahen sich die befragten Nichtregierungsorganisationen seit 2010 mit 17 Klagedrohungen konfrontiert. Seit 2018 wurden zudem rund ein Dutzend Klagen eingereicht
Die Konzerne haben dabei unendliche finanzielle Ressourcen, stellen teure Anwalts- und PR-Büros an und können sich jahrelang hinziehende Prozesse leisten. Für NGOs bedeuten solchen Klagen – oder bereits die Klagedrohung – ein grosser Aufwand, selbst wenn die publizierten Sachverhalte stimmen. Auf umfangreiche Klageschriften muss geantwortet werden, worauf noch längere Antworten folgen, auf die auch eingegangen werden muss.
Gefahr der Selbstzensur
Klagedrohungen oder das Wissen, dass zunehmend mit SLAPPs zu rechnen ist, können bereits im Vorfeld von Veröffentlichungen einen selbstzensorischen «chilling Effekt» (abschreckende Wirkung) auf die Organisationen haben. Aussagen werden eventuell abgeschwächt, um weniger Angriffsfläche zu bieten oder Publikationen können auf einen Zeitpunkt verzögert werden, zu dem sie an Relevanz verloren haben. Konzerne und reiche Einzelpersonen versuchen mit SLAPPS systematisch das Aufdecken von Missständen und kritische Berichterstattung zu unterdrücken. Das hat nicht nur Folgen für die betroffenen Organisationen in der Schweiz, sondern auch für die Partner*innen im globalen Süden. Umwelt- und Menschenrechtsvergehen werden nicht mehr publik gemacht und sie selbst sind vor allem in Staaten mit wenig Rechtssicherheit als auskunftsgebende Quellen in Gefahr. Nicht zuletzt ist es auch im Interesse der Schweizer Öffentlichkeit und jener der betroffenen Länder, dass Missstände bekannt gemacht werden.
Breite Allianz der Zivilgesellschaft
Schweizer NGOs reagieren nun auf die Zunahme von SLAPPs mit der Gründung der Schweizer Allianz gegen SLAPPs. Zahlreiche Organisationen der Schweizer Zivilgesellschaft wollen sich gemeinsam gegen eine weitere Zunahme von SLAPP engagieren, darunter Public Eye, der Bruno Manser Fonds, das HEKS, Helvetas, Greenpeace Schweiz, MultiWatch, die Gesellschaft für bedrohte Völker, terre des hommes schweiz, Solidar Suisse, SWISSAID und TRIAL International. Auch Impressum, der Berufsverband der Schweizer Medienschaffenden, ist Mitglied der Allianz.
In der Allianz werden Erfahrungen ausgetauscht, sie macht interne Schulungen, die Mitglieder unterstützen sich gegenseitig bei Fällen, machen das Thema SLAPP besser bekannt und setzen sich für eine bessere Gesetzgebung ein. So soll es zum Beispiel künftig einfacher und üblicher werden, Einschüchterungsklagen in frühem Stadium abzuwehren.