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Die Westsahara im Schatten der Energiewende

Seit fünfzig Jahren ist der Konflikt in der Westsahara ungelöst. Während sich Marokko als Vorreiter in Sachen grüne Energie positioniert, verschärft der Klimawandel die Situation für die Menschen in den sahrauischen Flüchtlingslagern. Damit sie nicht vergessen werden, setzt sich die junge Aktivistin Fatma Moulay unermüdlich für Gerechtigkeit ein.

Sand und Stein, soweit das Auge reicht. Die sahrauischen Flüchtlingslager im Südwesten Algeriens befinden sich in einer der unwirtlichsten Gegenden der Sahara. Hier herrschen extreme klimatische Bedingungen, die durch die globale Erwärmung noch verstärkt werden: Die Temperaturen steigen tagsüber auf über 50 Grad Celsius, heftige Regenfälle führen zu Überschwemmungen, Sandstürme nehmen zu. Die einfachen Lehm- und Zeltbauten bieten kaum Schutz vor den Wetterextremen. Unter diesen herausfordernden Bedingungen ist die 28-jährige Fatma Moulay aufgewachsen und hierhin nach ihrem Studium in Deutschland zurückgekehrt. Ihre eigentliche Heimat, das von Marokko besetzte Gebiet der Westsahara, konnte sie nie besuchen.   

Heute arbeitet Fatma Moulay für die Jugendorganisation UJSARIO – eine Partnerorganisation von terre des hommes schweiz. Die junge Aktivistin hat sich dem Einsatz für das sahrauische Volk und für Gerechtigkeit verschrieben. Auf internationalen Konferenzen macht sie auf das Schicksal der Sahrauis und den Zusammenhang zwischen Klimawandel und Konflikt aufmerksam. So beispielsweise am «Basel Peace Forum» im vergangenen Frühjahr. «Wir Sahrauis, die nichts zum Klimawandel beigetragen haben, sind ihm hilflos ausgesetzt», sagt sie. Vor einigen Jahren verloren ein Drittel der Flüchtlinge ihr Dach über dem Kopf, als heftige Regenfälle die Lager verwüsteten. «Es war traumatisierend mitanzusehen, wie die Lehmwände unserer Häuser einstürzten», erzählt Fatma.

Stillstand statt Wanderschaft

Diese Ausweglosigkeit steht im krassen Gegensatz zur traditionellen nomadischen Lebensweise der Sahrauis. Früher folgten sie den Wolken, die Regen und somit Wasser und Weideland für ihre Ziegen und Kamele verkündeten. Doch die Besetzung der Westsahara hat dieser Lebensweise ein Ende gesetzt. Selbst die Weidegründe im trockenen, stark verminten befreiten Teil der Westsahara sind wegen erneuter marokkanischer Drohnenangriffe nicht mehr zugänglich. Jetzt wird Karton zerkleinert und eingeweicht, um die Ziegen zu füttern – eine Ergänzung zu Essensresten und den wenigen Sträuchern. Wasser und Lebensmittel sind auch für die Menschen knapp, die Versorgung hängt von humanitärer Hilfe ab.

«Die Flüchtlingslager waren einst als eine temporäre Lösung gedacht, doch diese dauert nun schon fast fünfzig Jahre lang an», sagt Fatma. 2025 jährt sich die gewaltsame Besetzung der Westsahara zum fünfzigsten Mal. Ein Ende ist nicht in Sicht.

Die Klimakrise heizt den Konflikt an

Die Besetzung der Westsahara ist für Marokko äusserst lukrativ. Das Königreich plündert dort die reichen Phosphat- und Fischvorkommen und baut in Gewächshäusern Obst und Gemüse an, die auch auf dem europäischen Markt verkauft werden. Zudem produziert Marokko Solar- und Windenergie sowie grünen Wasserstoff. Das Land positioniert sich als Vorreiter bei der Umstellung auf erneuerbare Energiequellen. Dabei liegen diese Projekte zu einem erheblichen Teil in der besetzten Westsahara. «Während die international geförderten nationalen Klimabeiträge von Marokko auf der Ausbeutung der Westsahara gründen, haben wir keinen Zugang zu diesen Mechanismen und zu unseren Ressourcen», kritisiert Fatma.

Sonne, Hitze und Perspektivlosigkeit aushalten: Alltag in den sahrauischen Flüchtlingcamps. Foto Annette Mokler

Das internationale Recht ist auf ihrer Seite: Alle diese Aktivitäten seitens Marokko sind völkerrechtswidrig. Denn der Abbau von natürlichen Ressourcen in der Westsahara ist nur erlaubt, wenn die davon betroffene Bevölkerung zuvor ihr Einverständnis gegeben hat – was sie nicht hat. 1991 haben die Sahrauis von den Vereinten Nationen (UNO) zugesichert bekommen, dass per Volksentscheid über die Unabhängigkeit der Westsahara entschieden werden solle.  Bis heute ist dies ausstehend, denn Marokko hat kein Interesse daran, das Abkommen umzusetzen. «Je mehr Zeit vergeht, desto abhängiger wird Marokko vom Territorium der Westsahara», erklärt Fatma.

Vom Flüchtlingslager zur UNO

Mit grossem persönlichem Einsatz engagiert sich Fatma für die Rechte ihres Volkes und lässt sich auch von Widerständen nicht entmutigen. So war sie beispielsweise letztes Jahr zur UNO-Klimakonferenz eingeladen, hatte das Visum und die Finanzierung für Ticket und Aufenthalt organisiert. «Aber als ich zum Flughafen kam, sagten sie mir, ich dürfe nicht weiterreisen», erzählt sie. Diesen Herbst will sie ihre Stimme an der Klimakonferenz in Baku erheben.

Auch in den sahrauischen Flüchtlingslagern gibt es für Fatma viel zu tun. Neben dem laufenden Programm für Kinder und Jugendliche im Flüchtlingslager Smara, unterstützt terre des hommes schweiz ein kleines, von ihr initiiertes Projekt. Hier erlernen Jugendliche das journalistische Handwerk und die Nutzung neuer Medien. So wächst eine junge Generation heran, die darauf vorbereitet ist, das Unrecht und die vielschichtigen Aspekte dieses vergessenen Konflikts sichtbar zu machen. Das stimmt Fatma Moulay trotz allem zuversichtlich: «Hier leben Menschen, die sich jeden Tag aufs Neue dazu entscheiden, die Hoffnung nicht aufzugeben. Denn der Tag, an dem wir die Hoffnung verlieren, wäre unser Ende.»

Energiewende? Ja, aber fair!

Weltweit leiden die ärmsten Bevölkerungsschichten am stärksten unter dem Klimawandel, obwohl sie ihn nicht verursacht haben. Das reichste 1 % der Weltbevölkerung hat von 1990 bis 2019 doppelt so viel CO₂ ausgestossen wie die ärmere Hälfte. Um eine Katastrophe planetaren Ausmasses zu verhindern, ist eine sofortige Umstellung auf erneuerbare Energiequellen essenziell. Doch diese Transition muss fair sein: das Völkerrecht achten, Konflikte vermeiden und den Benachteiligten dieser Welt zugutekommen. Deshalb macht sich terre des hommes schweiz für Klimagerechtigkeit und eine faire Energiewende stark.

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