Die Lage im Norden Mosambiks spitzt sich erneut zu. Islamistische Gruppierungen attackierten die Küstenstadt Palma, ermordeten 90 Menschen und erbeuteten zahlreiche Güter, möglicherweise für weitere Anschläge. Tausende suchten zu Fuss und auf dem Seeweg Zuflucht im Hafen von Pemba (Bild). Auch wenn der sogenannte IS die Tat für sich beansprucht, die Angreifenden werden wahrscheinlich weniger vom Islamismus als von der Armut getrieben. Die Regierung in Maputo scheint indes ihren eigenen Interessen zu folgen und bekämpft das Problem bloss militärisch.
Seit rund drei Jahren greifen islamistische Gruppierungen in Nord-Mosambik regelmässig unschuldige Menschen und die Polizeistationen an. Wir haben davon berichtet. Nun nimmt die Gewalt erneut zu. Am 24. März kam es in der Kleinstadt Palma zum bislang grössten und gewalttätigsten Angriff. Am Nachmittag waren plötzlich zahlreiche Islamist*innen in der Stadt und attackierten gezielt Banken und ein Nahrungsmittellager des World Food Programme. Es ist zu vermuten, dass die Terrormiliz Tage zuvor in die Stadt geschlichen und bei Verbündeten versteckt hatte. Der Angriff wurde aber auch vom Meer unterstützt. Zehn Tage lang zogen die Kämpfer*innen mordend und plündernd durch die Stadt.
Nach aktuellem Kenntnisstand fielen 90 Menschen dem Anschlag zum Opfer, viele davon wurde enthauptet. Unter den Opfern waren mindestens sieben Ausländer*innen, mit hoher Wahrscheinlichkeit Mitarbeitende internationaler Erdgasfirmen. Rund 20´000 Personen flohen aus Palma in die umliegenden Dörfer und Städte – vor dem Hafen von Pemba (Bild) reihten sich Boote mit Flüchtenden. Viele probierten über die nur wenige Kilometer entfernte Grenze nach Tansania zu fliehen, wo sie allerdings zurückgewiesen wurden. Ausserdem erbeutete die islamistische Gruppierung Bargeld, Waffen, Munition, Fahrzeuge und 90 Tonnen Nahrungsmittel – Vorräte für erneute Angriffe, wie zu befürchten ist.
Früh reklamierte der sogenannte IS den Anschlag für sich, die als Beweis verwendeten Fotos und Videos waren aber nachweislich älter. Es ist ein bekanntes Muster, islamistische Anschläge anderer für sich zu reklamieren, um damit Stärke zu zeigen. Spätere Ermittlungen zeigen aber, dass die Terrorist*innen hauptsächlich aus jungen Männern aus der Region stammen und weniger vom Islamismus angetrieben werden als vom Hass auf die Regierung und von finanziellen Aussichten. So lauten zumindest die Aussagen der zweidutzend Frauen, die aus den Händen der Angreifenden befreit wurden.
Die Anführenden der Terrormiliz hingegen seien zum Grossteil männliche, gut gebildete Ausländer, hauptsächlich aus Tansania. Sie gehören der ursprünglich somalischen al Shabaab Miliz an. Die Gruppierung macht sich den Ärger der abgehängten Jugend in Cabo Delgado zu Nutze und schürt den Missmut auf die „ungläubige Regierung in Maputo“ und die „plündernden“ ausländischen Gasfirmen.
Der Journalist João Feijó, der die befreiten Frauen befragte, teilt in seinem Artikel unsere Sicht, dass es kurzfristig keine friedliche Lösung für den Konflikt geben wird, solange die Regierung nicht vom bisherigen Kurs abweicht. Diese beschränkt sich darauf, die Gründe für die Überfälle alleine dem Extremismus des sogenannten IS zuzuschreiben, statt mit Massnahmen gegen die sozialen Missstände den Nährboden dafür zu entziehen.
Die Zurückhaltung der Regierung, bereits Angebotene internationale Hilfe anzunehmen, lässt vermuten, dass sie gerade dort keine externen Beobachter, Hilfsorganisationen oder Truppen haben möchte. Möglicherweise würde sie so unter Druck geraten, die Bevölkerung an den Gewinnen aus den Erdgaslizenzen teilhaben zu lassen und die Armut zu bekämpfen. Vermutlich würden so auch Zuschüsse an Funktionäre der Regierungspartei Frelimo versiegen. Mit internationaler Aufmerksamkeit würden ausserdem die Methoden der südafrikanischen Söldner und mosambikanischen Soldaten unter strenger Beobachtung stehen. Sie sind für ihren laxen Umgang mit Menschenrechten bekannt.
Wir fordern, dass sich die Weltgemeinschaft der Lage in Nordmosambik mehr Aufmerksamkeit schenkt und sowohl militärische als auch humanitäre Hilfe leistet. Es müssen mehr Informationen verfügbar sein, was dort genau passiert und die Regierung muss offen kommunizieren und in die Bedürfnisse der dortigen Bevölkerung investieren. Denn wie bereits im Oktober von uns beschrieben „wird es einen langfristigen Frieden im Land nur geben, wenn die ärmeren Bevölkerungsschichten vom Export der riesigen Ressourcenvorkommen auch ein Stück abbekommen und Jugendliche im Land eine echte Perspektive erhalten. Daran arbeiten wir mit unseren Partnern jeden Tag.“
Jonas Wagner-Mörsdorf, Samuel Rink
Foto: Ton Rulkens/flickr – CC BY-SA 2.0