In Mosambik sind Armut und Gewalt für viele Mädchen und Frauen Alltag. Im Nordosten des Landes setzt sich unsere Partnerorganisation AMUDEM dafür ein, genau das zu ändern. Durch Aufklärung und ein eigenes Einkommen nehmen junge Frauen wie Dorca Davide Matias das Steuer über ihr Leben wieder selbst in die Hand.
Wenn das Handy von Dorca Davide Matias (24) klingelt, dann ruft meistens die Arbeit. In ihrem Dorf hat sich herumgesprochen, dass die junge Frau einen Lastwagen-Führerschein besitzt. «Mich rufen die Leute an, wenn sie Hilfe beim Transport brauchen», erzählt Dorca. In der weitläufigen und ländlich geprägten Region im Nordosten Mosambiks, wo sie zu Hause ist, sind Fahrer*innen gefragt. Dorca liefert Sand, Brennholz, Ziegelsteine – alles, was die Menschen in ihrer Gemeinde benötigen. Den Lastwagen dazu mietet sie von einem Nachbarn. Mit ihrem Transportdienst verdient Dorca heute den Lebensunterhalt für sich und ihre Familie. «Dank dem Führerschein habe ich mehr Unabhängigkeit gewonnen», sagt sie stolz. Wer ihre Geschichte kennt, weiss, welchen Wert diese Unabhängigkeit für die junge Frau hat – sie musste sie sich hart erkämpfen.
Dorca heiratete in sehr jungen Jahren, wie viele Frauen in ihrem Dorf. Ihre Eltern waren verstorben und die Verantwortung, ihre zwei jüngeren Brüder zu versorgen, lastete auf ihren Schultern. In dieser schwierigen Situation hatte sie gehofft, durch die Ehe Unterstützung zu finden. Doch die verwandelte sich rasch in einen Albtraum: Nach der Hochzeit begann ihr Ehemann, sie zu kontrollieren und ihre Bewegungsfreiheit drastisch einzuschränken. «Er verbot mir alles. Ich durfte nicht mehr zur Schule gehen und auch kein Geschäft eröffnen», erzählt Dorca. Während ihrer Ehe brachte sie zwei Töchter zur Welt. Dass ihr keine andere Perspektive blieb, als Hausfrau und Mutter zu sein, war erdrückend – doch die Gewalt durch ihren Mann, welcher sie tagtäglich ausgesetzt war, machte die Situation unerträglich.
Der Ausweg aus der Unterdrückung
In Mosambik wird häusliche und sexuelle Gewalt gegen Mädchen und Frauen in vielen Gemeinden und Familien als normal angesehen. Nicht selten bekommen bereits junge Mädchen vermittelt, dass sie ihren späteren Ehemännern gehorchen müssen, auch in sexueller Hinsicht. Vielen Betroffenen ist deshalb gar nicht bewusst, dass sie Opfer geschlechterspezifischer Gewalt sind. So vergingen auch für Dorca Jahre der Unterdrückung, bis sie einen Ausweg fand. Als sie die Gewalt ihres Ehemanns nicht mehr aushielt, floh sie zu ihrer Tante. Diese bot ihr die entscheidende Unterstützung: Gemeinsam suchten sie Hilfe bei unserer Partnerorganisation AMUDEM.
Im Zentrum von AMUDEM fand Dorca nicht nur einen sicheren Ort, sondern erhielt auch psychosoziale Unterstützung, die ihr dabei half, das Erlebte zu verarbeiten. In Workshops lernte sie zudem, wie sie sich vor ungewollten Schwangerschaften und geschlechterspezifischer Gewalt schützen kann. Doch am meisten Kraft gab ihr der regelmässige Austausch mit anderen Frauen, die ähnliche Erfahrungen gemacht hatten.
Dorca nahm an Radiodebatten teil, um Themen rund um sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte an die Öffentlichkeit zu bringen. Im Radio sprach sie auch über ihre persönliche Geschichte: «So kann ich Mädchen aus meiner Region davon abhalten, in die gleiche Situation zu geraten, die ich durchgemacht habe.»
Heute weiss Dorca, dass das, was sie erlitten hat, eine Verletzung ihrer Rechte war. Und sie setzt sich dafür ein, dass solche Taten nicht länger ungestraft bleiben: Sie ermutigt betroffene Frauen, die erlebte Gewalt zur Anzeige zu bringen. In vielen Gemeinden findet dank der Aufklärungsarbeit unserer Partnerorganisation ein Umdenken statt. Ein wichtiger Fortschritt war das nationale Verbot von Frühverheiratungen im Jahr 2019.
Mit Bildung in die Unabhängigkeit
Die Rückkehr in die Schule war für Dorca ein entscheidender Schritt auf dem Weg in ein selbstbestimmtes Leben. Sie nahm den Unterricht dort wieder auf, wo sie ihn einst unterbrechen musste. «Das war der Moment, in dem unsere Ehe endgültig endete. Mein Mann liess mich mit den Kindern allein zurück», erinnert sich Dorca. Doch sie fügt entschlossen hinzu: «Aber ich trauerte ihm nicht nach.» Dank der Unterstützung von AMUDEM konnte sie ihren Schulabschluss machen.
Mit neuem Selbstvertrauen ergriff Dorca auch die nächste Chance: Im Zentrum von AMUDEM bereitete sie sich auf die LKW-Fahrprüfung vor. Heute hat sie ihren Führerschein in der Tasche und steuert den Lastwagen sicher durch die Strassen. Das gibt ihr Hoffnung. Mit gerade einmal 24 Jahren trägt Dorca die Verantwortung, eine fünfköpfige Familie zu versorgen – eine schwere Last. Doch jetzt, da sie ihre eigene Chefin ist, bestimmt sie selbst die Richtung, die ihr Leben nimmt. Und sie kann ihre Träume weiterverfolgen: «Mit dem Geld, das ich als Fahrerin verdiene, möchte ich die Ausbildung zur Lehrerin machen», verrät sie.