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Neue Chance für Mutter und Kind

Mangelnde Sexualaufklärung und der Traum von einem Leben ohne Armut sorgen in Tansania zuhauf für Teenage-Schwangerschaften. Das Bildungsprogramm von EBLI in Mwanza am Viktoriasee coacht junge Mütter in Not für ein gutes Leben in Eigenständigkeit für sich selbst und ihre Kinder. Diana Marco hat das ganzheitliche Training mit der Partnerorganisation von terre des hommes schweiz erfolgreich absolviert. Sie ist die Alltagsheldin in der SRF-Sendung «mitenand» vom 18. Juli 2021.

Diana Marco ist 21 und hat eine zweijährige Tochter, Leokadia. Die beiden leben mit Dianas Mutter in einer einfachen Behausung in der Stadt Mwanza, regionales Industrie- und Wirtschaftszentrum am Viktoriasee im Nordwesten des ostafrikanischen Landes.

Diana geht es wieder gut. Sie verdient ihr eigenes Geld und ist voller Zuversicht. Sie verkauft selbstgemachte Gemüse-Krapfen an Leute aus dem Quartier und hat zusätzlich einen Teilzeitjob in einem Wohnheim der nahegelegenen Uni gefunden. «Ich bin nicht mehr die Diana von vorher», sagt sie. «Ich stehe zu mir selbst und kann machen, was ich will. Denn jetzt bin ich in der Gemeinschaft akzeptiert.»

Auch von der Glückskette unterstützt

Diana Marco ist die Alltagsheldin im Porträt des Journalisten und Filmemachers Bruno Amrein. Am 18. Juli wird der Bericht in der SRF-Sendung «mitenand» vor der Tagesschau erstmals ausgestrahlt.  «mitenand» stellt jeden Sonntagabend die Arbeit von gemeinnützigen Organisationen vor.

Diana hat ein halbjähriges Training mit der Non-Profit-Organisation EBLI (Education for Better Living Organization) in der tansanischen Stadt Mwanza am Viktoriasee absolviert, mit der terre des hommes schweiz seit neun Jahren zusammenarbeitet. Die Spitzenköchin Tanja Grandits ist Botschafterin der tansanischen Partnerorganisation von terre des hommes schweiz. Auch die Stiftung Glückskette, die sich dank privater Spenden im humanitären und sozialen Bereich engagiert, unterstützt das tansanische Partnerprojekt von terre des hommes schweiz.

Beschimpft und geächtet

Vor gut zwei Jahren, als Diana 19 war und ein Mädchen gebar, war sie verzweifelt. Sie war wegen ihrer Schwangerschaft von der Schule geflogen, der Vater des Kindes war über alle Berge und sie wusste nicht, wie sie für den Lebensunterhalt ihrer kleinen Familie sorgen sollte. Dazu kam, dass sie beschimpft und geächtet wurde, weil sie ein Tabu gebrochen hatte. Als Mädchen oder junge Frau schwanger zu werden und keinen Mann zu haben, gilt in Tansania als Sakrileg – das war in der Schweiz lange Zeit auch so.

Auch Dianas Familie war schockiert und distanzierte sich zunächst von ihr. «Als ich schwanger wurde, hatte ich keine Hoffnung mehr», meint sie rückblickend. «Ich drehte fast durch und habe viel geweint, weil ich von allen schikaniert wurde.» Doch dann habe sie im Bildungsprogramm von EBLI teilnehmen können, sagt sie: «Und plötzlich sah ich eine neue Chance.»

Ein ganzheitliches Training

Diana hat ein halbjähriges Training mit EBLI absolviert. Das ganzheitliche Bildungsprogramm hilft und stärkt Mädchen und junge Frauen aus einfachen Verhältnissen wie Diana, die sich in einer prekären, scheinbar ausweglosen Situation befinden. Die jungen alleinstehenden Mütter werden aufgeklärt zu den Themen sexuelle Gesundheit und Rechte. Sie erlernen das praktische Einmaleins der Betriebswirtschaft, um ein eigenes kleines Business aufzuziehen.

Und sie werden gestärkt in ihrem Selbstbewusstsein: Denn das brauchen sie unbedingt auf ihrem Weg in die Eigenständigkeit und Unabhängigkeit. «Im EBLI-Programm habe ich gelernt, dass man zuerst das Marktumfeld abklären muss, wenn man ein Geschäft aufbauen will», erzählt Diana Marco. «Ich habe herausgefunden, dass niemand hier im Viertel etwas Frisches zum Frühstück anbietet. Ich habe mich dann schlau gemacht, wie man die Krapfen macht und mit einem kleinen Gewinn zu einem erschwinglichen Preis verkaufen kann. Das bietet hier sonst niemand an.»

Bis heute besucht Diana Marco regelmässig Kurse von EBLI in Mwanza. Das soll ihr helfen, um langfristig auf eigenen Füssen zu stehen. Als Bruno Amrein sie im Mai dieses Jahres mit der Film- und Smartphonekamera besucht, macht sie gerade einen Computerkurs zum Umgang mit Excel und Word for Windows. «Bei EBLI lerne ich so viele Dinge, nicht nur am Computer», meint sie. «Zum Beispiel, wie ich mich vor Männergewalt schütze oder vor einer unerwünschten Schwangerschaft. Auch von ansteckenden Krankheiten habe ich hier das erste Mal gehört. Und gelernt, wie man unternehmerisch denkt.»

Falle Sex für Sicherheit

Dianas Situation, bevor sie vom Training mit EBLI profitierte, ist kein Einzelfall in Tansania. Auch wenn die Bevölkerung grosse Hoffnungen setzt in Samia Suluh Hassan, seit Frühjahr 2021 die neue Präsidentin des ostafrikanischen Landes – es steht nach wie vor schlecht um den Schutz, die Rechte und die Chancengleichheit von Frauen und Mädchen in Tansania. Und die um die Delta-Varianten verlängerte Gesundheitskrise wird diese Schieflage vorläufig sicher nicht entschärfen.

In Tansania wird jedes vierte Mädchen vor dem 18. Altersjahr schwanger. «Viele Mädchen und junge Frauen gehen sexuelle Beziehungen mit älteren Männern ein, die ihnen finanzielle Versprechungen machen oder vermeintliche Sicherheit bieten», sagt Susanne Furler, Programmkoordinatorin für Tansania bei terre des hommes schweiz.  Sichere Verhütung sei ein Fremdwort, da dieses Thema tabu ist und der Sexualunterricht in Tansanias Schulen nichtexistent. «Werden die Mädchen schwanger, werden sie im Stich gelassen. Vielen Teenager-Müttern fehlen die Bildung und das Einkommen für eine gesicherte Zukunft.»

Das Erbe des alten Präsidenten

Costantine Nyambayo, der das Länderprogramm von terre des hommes schweiz in Tansania von Dar es Salam aus koordiniert, sagt gegenüber Bruno Amrein: «Viel zu viele Mädchen im Teenager-Alter müssen die Schule verlassen. Sie kämpfen mit Armut und Gewalt in Familie und Gemeinde.»

Der vormalige Präsident John Magufuli, der im Frühjahr 2021 plötzlich verstarb, hatte angeordnet: Schülerinnen, die schwanger werden, müssen die Schule verlassen. Die Verordnung gilt vorläufig noch immer. «Viele Mädchen sind dann isoliert und bekommen keine Unterstützung, das ist sehr schwierig für sie», weiss Costantine Nyambayo. «Sie müssten eigentlich schnell wieder zurück in die Schule, aber die Regierung erlaubt das nicht.»

Im Leben wieder Fuss fassen

EBLI unterstützt also junge Mütter wie Diana dabei, im Leben wieder Fuss zu fassen. 120 junge Mütter zwischen 13 und 20 Jahren erhalten jedes Jahr mit dem Bildungsprogramm der Partnerorganisation von terre des hommes schweiz in Mwanza eine neue Chance, um ihr Leben in die eigenen Hände zu nehmen und sich selbst und ihren Kindern eine gute Zukunft zu ermöglichen. Rund 1000 Jugendliche werden jedes Jahr mit Informationsveranstaltungen erreicht und weitere 500 junge Menschen in Jugendklubs in Mwanza.

Das sind alles in allem keine Zahlen mit einer grossen Reichweite. Aber für jede einzelne junge Frau und ihre Familie wie auch für die Jugendlichen in Mwanza, die vom Bildungsprogramm von EBLI profitieren, ist das ein Geschenk des Himmels fürs Leben.

Unsere Projekte in Tansania

Gemeinsam mit vier lokalen Partnerorganisationen engagiert sich terre des hommes schweiz in Tansania zu den Themen sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte (Sexual and Reproductive Health and Rights, SRHR) und gegen geschlechtsspezifische Gewalt (Gender-Based Violence, GBV).

Drei Partnerorganisationen befinden sich am Viktoriasee in Nordwesten von Tansania: EBLI und WADADA in Mwanza, HUMULIZA in Nshamba in der Region Kagera. Die vierte Partnerorganisation, KIVIDEA, operiert in Kigoma am Tanganjikasee im Westen von Tansania. Mit einer weiteren lokalen Organisation in Mwanza ist terre des hommes schweiz aktuell in Abklärung für eine mögliche Kooperation.

Mit ihren Projekten für und mit Jugendlichen und ihrem sozialen Umfeld in Tansania, welche die DEZA unterstützt, leistet terre des hommes schweiz einen Beitrag an folgende UNO-Entwicklungsziele (Sustainable Development Goals, SDGs) der Agenda 2030: SDG 3 Gute Gesundheitsförderung (3.3 und 3.7), SDG 4 Hochwertige Bildung (4.7), SDG 5 Gleichberechtigung der Geschlechter (5.2, 5.3, 5.6).

Anna Wegelin, Mitarbeit Sue Furler

Junge Mutter: Diana Marco, junge Mutter im EBLI-Bildungsprogramm, ab 18. Juli 2021, 19.15 Uhr, SRF 1 in der Sendung “Mitenand

Experte: Abubakar Mutoka, Fachberater Jugendarbeit für die Partnerorganisationen von terre des hommes schweiz in Tansania, im Interview

Manager: Costantine Nyambayo, Nationaler Koordinator von terre des hommes schweiz in Tansania, im Interview

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