Die Arbeit von terre des hommes schweiz richtet sich zuerst an Jugendliche. Manche unserer Partnerorganisationen arbeiten aber auch mit Erwachsenen, die so zu Vorbildern für Jugendliche werden. Das folgende Beispiel von Rosaria aus Moçambique zeigt dies eindrücklich.
Gabriela Wichser, Programmverantwortliche Moçambique
Bei meinem letzten Besuch bei unserer Partnerorganisationen AMUDEM (Empowerment von Mädchen und Frauen in Moçambique) lernte ich Rosaria*, 40jährig und Mutter von sieben Kindern, kennen. Im vergangenen Jahr wurde Rosaria Opfer häuslicher Gewalt. Kurz nach der Geburt des letzten Sohnes distanzierte sich ihr Mann zunehmend von ihr. Er überliess ihr die gesamte Arbeit im Haus und auf dem Feld. Bald darauf eröffnete er ihr, dass er sie verlassen würde, um mit einer jüngeren Frau eine neue Familie zu gründen. Er nahm alle Ersparnisse, die Rosaria über mehrere Jahre angespart hatte und für den Bau eines grösseren Hauses bestimmt waren, sowie ein Fahrrad, ein Radio, diverse Vorräte und Saatgut mit. Zudem schikanierte er Rosaria massiv und redete in der Öffentlichkeit schlecht über sie. Allein mit ihren sieben Kindern und betagten Eltern, wendete sie sich an Amudem.
Kein Grund sich zu schämen
Rosaria kannte AMUDEM bereits seit dem Jahr 2009 als Amudem Frauengruppen aufbaute. Später war Rosaria selbst Mitglied in einer Freiwilligengruppe, die Sensibilisierungsarbeit zum Thema geschlechtsspezifische Gewalt in den Dörfern leistete. Im Gegensatz zu anderen Frauen schämte sie sich nicht Hilfe zu suchen. Der Grund: Durch ihre Arbeit war sie schon mit dem Thema vertraut und kannte die Situation anhand von Leidensgeschichten anderer Frauen.
Gegen die lokalen Traditionen
Die Hilfe von Amudem stärkte Rosaria in dieser sehr schwierigen Lebenssituation. Als sich eines der Beratungsgespräche um Zukunftsperspektiven drehte, äusserte Rosaria den Wunsch, selbst ein Haus für ihre Familie zu bauen. Im ländlichen Moçambique ist es traditionell Männern vorbehalten, Häuser zu bauen. Die Beraterin bestärkte Rosaria aber in ihrem Plan, wohlwissend, dass Rosarias Vorhaben nicht mit den lokalen Traditionen vereinbar war. Amudem arbeitet mit dem Lösungsorientierten Ansatz, der sich auf die Stärken und Ressourcen der Menschen konzentriert.
Ihr Haus Stück für Stück selbst gebaut
Rosaria liess sich durch die gesellschaftlichen Strukturen nicht beirren und ist darum heute stolze Besitzerin eines neuen, grösseren und qualitativ besseren Hauses, das sie mit ihrer eigenen Muskelkraft erbaut hat. Sie hat Ziegelsteine gebrannt und Felder bepflanzt, um mit dem Erlös Wellblech für das Dach zu kaufen. Mit jedem Ziegelstein, den Rosaria gelegt hat, hat sich auch ihr Selbstwertgefühl verändert. Heute schaut sie selbstbewusst in die Zukunft: Sie schickt alle ihre Kinder in die Schule (Jungen und Mädchen) und sie schaut einem Leben ohne Ehemann gelassen entgegen.
Hilft anderen Frauen Mut zu fassen
Die erwartete negative Reaktion der Nachbarn ist ausgeblieben. Im Gegenteil, sie erntet viel Bewunderung für ihr neues Zuhause und für den Mut, mit dem sie ihr Leben in neue Bahnen gelenkt hat. Rosaria spricht auf Sensibilisierungsveranstaltungen von Amudem in anderen Dörfern von ihren Erfahrungen. Sie hilft damit anderen Frauen Mut zu fassen und über ihre Gewalterlebnisse zu sprechen.
* Name geändert