In Peixinhos, einem Stadtteil von Olinda im Bundesstaat Pernambuco, sind die Herausforderungen gross: Gewalt, Kriminalität, unzureichende schulische Bildung und eine prekäre wirtschaftliche Lage prägen das Viertel. Trotz dieser Schwierigkeiten setzen sich junge Menschen wie die 19-jährige Keila Marques für ein friedliches Miteinander und ein würdevolles Leben in ihrer Gemeinschaft ein.
Keila Marques spricht ungern darüber, wen sie bereits durch die allgegenwärtige Gewalt in ihrem kurzen Leben verloren hat. Nur so viel: Für sie und andere junge Menschen aus Peixinhos sei es die größte Herausforderung, «die Gewalt zu überleben.» Fakt ist: Die Mordrate in Pernambuco ist in den letzten Jahren stark angestiegen: Der Bundesstaat zählt die dritthöchste Rate an gewaltsamen Todesfällen in Brasilien. Die Polizei steht den Drogenhandelsgruppen und paramilitärischen Organisationen oft machtlos gegenüber. Dies führt dazu, dass viele junge Menschen, häufig unschuldige Jugendliche, ihr Leben verlieren, weil sie zur falschen Zeit am falschen Ort sind. Der Mord eines Freundes oder eines Bekannten gehört zum traurigen Alltag vieler junger Menschen in den Randgebieten der Städte im Nordosten Brasiliens. Doch nicht nur Gewalt und Kriminalität prägen das Leben vieler junger Menschen in Brasilien. Sie haben auch kaum Zugang zu Bildung und es gibt nur wenige Arbeitsplätze.
Das Beste daraus machen
Doch was junge Menschen angesichts der großen Schwierigkeiten ausbremsen könnte, wird zur Motivation. Sie wollen alles dafür tun, um ihr Leben zu verbessern. Mit unserem Projekt «Wege aus der Gewaltspirale» stärken wir diese Jugendlichen mit psychosozialer und juristischer Unterstützung sowie Zugang zu wichtigen Informationen. Wir schulen sie in gewaltfreier Kommunikation, Jugendprotagonismus, Menschenrechten und Anti-Rassismus. Es ist sehr wichtig, die Identität von Jugendlichen, die in einem diskriminierenden Umfeld aufwachsen, zu stärken. In unseren Kursen lernen sie, wie sie Konflikte friedlich lösen und eine Kultur des Friedens in ihrer Community fördern können, anstatt auf Gewalt als Lösung für Probleme zurückzugreifen. Hilfreich sind auch Gruppentherapien, um traumatische Erlebnisse zu bewältigen, die Bindungen zwischen den Teilnehmer*innen zu fördern und die Psyche zu stärken.
Jugendliche für den sozialen Wandel
Im Herzen unserer Arbeit steht das Empowerment junger Menschen. Das Wissen, das sich Jugendliche wie Keila in unserem Projekt aneignen, geben sie an Gleichaltrige an Schulen weiter. Keila möchte, dass andere Jugendliche ihre Rechte kennen, denn «ich wusste auch nicht, welche Rechte ich als Jugendliche habe, bevor ich am Projekt teilnahm. Man erlebt so viele Ungerechtigkeiten, dass man am Ende glaubt, dass das eigene Leben immer von Ausgrenzung geprägt sein wird. Mir war nicht klar, dass junge Menschen Rechte haben, die auch respektiert werden müssen», so Keila.
Die Arbeit an den Schulen hat nicht nur positive Auswirkungen auf die direkten Teilnehmerinnen der Workshops, sondern auch auf die Gemeinschaften. Durch die Stärkung der Friedenskultur werden Jugendliche zu Akteurinnen des sozialen Wandels und verbreiten Werte, die zu einem friedlicheren und respektvolleren Zusammenleben beitragen.
Das politische Engagement fördern
Junge Menschen lernen in unserem Projekt, sich politisch zu engagieren. Keila hat bei sich selber gemerkt, dass «sobald ich am Projekt beteiligt war, sich mein Blick auf meine Gemeinde völlig verändert hat, besonders im Zusammenhang mit den Themen Diskriminierung und Rassismus. «Ich wurde mir bewusst, welche Bevölkerungsgruppen benachteiligt sind und welche politischen Maßnahmen in Brasilien notwendig sind.» Die Jugendlichen konnten den Leiter des Staatssekretariats für Soziale Entwicklung, Kinder und Jugend, treffen. Sie forderten, dass der Kinder- und Jugendschutzdienst im Bundesstaat Pernambuco wieder aktiviert wird – mit Erfolg!
«Je mehr wir wissen, desto mehr können wir andere junge Menschen sensibilisieren und begeistern. Je aktiver wir in der Gemeinde sind, desto mehr können wir Gewalt und Diskriminierung in unserem Stadtteil reduzieren», ist Keila überzeugt. Dank der Mobilisierung der Jugendlichen entstand ein Dialog mit den Entscheidungsträger*innen, der die Beziehungen zwischen den Behörden und der Gemeinde verbesserte und die Zusammenarbeit bei der Suche nach Lösungen für die Gewalt in der Region stärkte.
Unsere Partnerorganisation macht auch politische Lobbyarbeit, um auf die Herausforderungen aufmerksam zu machen. Die Sensibilisierung der Entscheidungsträger*innen und die Zusammenarbeit sind wichtig für wirksame Gewaltpräventionsprogramme.
Junge Stimmen für den Frieden
Unser Projekt ermöglicht es jungen Menschen aus verschiedenen Bundesstaaten Brasiliens, sich miteinander zu vernetzen und auszutauschen, zum Beispiel durch die Teilnahme an der Nationalen Jugendkonferenz. Dort haben Jugendliche die Möglichkeit, ihre Anliegen und Vorschläge für die Programmstrategie der Bundesregierung einzubringen. Keila war als Delegierte des Bundesstaates Pernambuco anwesend. «Ich finde diese Konferenzen sehr wichtig, weil Jugendliche aus unterschiedlichen Regionen zusammenkommen und wir über die Herausforderungen in unseren Städten sprechen. Es gibt viele motivierte Jugendliche. Wir sind überzeugt, dass wir in unseren Gemeinschaften etwas bewirken können. Wir wollen Gehör finden!» Keila zeigt sich entschlossen, wenn sie über ihre Zukunft nachdenkt: «Ich bin eine junge schwarze Frau und werde mich weiterhin mit aller Kraft für ein friedliches Zusammenleben einsetzen. Ich gebe nicht auf!»